Zum mathema(tikdidak)tischen Repräsentationsbegriff und zum kognitionspsychologischen Repräsentationsbegriff

Ausdrücke wie "ikonische, symbolische und enaktive Darstellungsform von Brüchen" oder Aussagen wie "Ein Bruch kann auch enaktiv [...] dargestellt werden." sind kognitionspsychologisch und didaktisch inkorrekt. Ein Bruch, der bekanntlich eine Form der schriftlichen Darstellung von Bruchteilen (Teil-Ganzheit-Verhältnis) oder von Bruchzahlen ist und - sei es als gewöhnlicher Bruch oder als Dezimalbruch - mit Zahlzeichen und mit operativen Zeichen (Bruchstrich bzw. stellenwertsystemgemäße Anordnung von mit Ziffern belegten Stellen und ein Trennzeichen zwischen dem ganzzahligen und dem gebrochenen Teil dieser Zahldarstellung) zu schreiben ist, lässt sich nicht enaktiv darstellen, auch nicht ikonisch. (Wohl aber kann ein Bruchteil auf verschiedene Weisen dargestellt/konkretisiert/modelliert/realisiert/vorgestellt/repräsentiert werden, zum Beispiel symbolisch durch einen Bruch.)
Das "Abmessen und Schneiden" ist zwar eine Tätigkeit (action), aber ob in dieser Tätigkeit (enactive) ein Begriff repräsentiert ist, hängt von den geistigen Operationen ab, die diese Abmess- und Schneide-Tätigkeiten sinngebend veranlassen, steuern und nutzen. Somit geht diese Handlung (= durchdachtes Tätigsein) über ein einfaches Handlungsschema (was beispielsweise die Anwendung der Halbierungstechnik an biegsamen Körper ist) weit hinaus. "Abmessen und Schneiden"  für sich stellt weder einen Bruch noch einen Bruchteil enaktiv dar.
Die "Begreifbarkeit" eines Seils ist sowohl für die (mathematische) Repräsentation eines bestimmten Bruchteils als auch für die (kognitionspsychologische) Repräsentation des Bruchteilbegriffs unzureichend und unerheblich. Denn ich sehe dem fertig zugeschnittenen Seil ja überhaupt nicht an, welcher Bruchteil seine Länge von der ursprünglichen Länge ist. Nicht im Handlungsergebnis, sondern in der Handlung selbst (bitte schön, immer daran denken: Handlung = vom Denken angeleitetes Tun und vom Tun angestoßenes/unterstütztes Denken) liegt das Wesentliche der Repräsentation eines Sachverhalts/Begriffs.
Eine Grafik übrigens vergegenwärtigt (repräsentiert) einen Denkinhalt nur insofern, als sie vom Betrachter verstanden wird. Dieses Verständnis ist abhängig von der analytisch-interpretativen Rekonstruktion des in der Grafik konstruierten Sachverhalts, und dazu ist die Aktualisierung passender Begriffe und Operationen notwendig, die in der kognitiven Struktur des Betrachters bereits vorhanden sind. Wie für das verstehende Betrachten einer Grafik gilt Entsprechendes für die Erzeugung einer Grafik. Nicht das Bild selbst ist das Sinngebende, sondern die Inhalte des konstruierenden bzw. rekonstruierenden Denkens.
Wohlgemerkt: Wir sprechen hier über die kognitionspsychologische Rolle von Tätigkeiten bzw. von Bildern im Zusammenhang mit einem schon sehr abstrakten mathematischen Begriff (dem Bruchteil) und nicht über schlichtere Repräsentationen wie jene jedem geläufige Handbewegung, in der der Wendeltreppenbegriff repräsentiert ist, oder wie das Vorstellungsbild, in dem mein Auto in meinem geistigen Auge erscheint, wenn ich bei geschlossenen Augen an es denke.

Mein Vorschlag: Drücken wir uns in didaktischen Ausarbeitungen so aus, dass selbst Jerome S. Bruner (via Dolmetscher) und Jean Piaget (via Hans Aebli) sowie der mathematikdidaktische Ausbilder und man selbst die Ausdrucksweise verstehen, ohne dass sie das eigentlich Auszudrückende wohlmeinend in das Ausgedrückte hineininterpretieren müssen. Also: Termini nur auf gesicherter terminologischer Basis verwenden! Besser ist es, keine Fachtermini zu gebrauchen, als dem Leser geistig halbverdaute Fachtermini zu fressen zu geben. Wenn aber Fachtermini verwendet werden sollen - und einiges spricht dafür -, dann bleibt einem ein hinreichend gründliches Quellenstudium nicht erspart.