Gerhart Dieter Greiß
Mittelpunktschule Rhoden
Klasse 5R, Mathematik

Große Zahlen: Vorteilhafte Verwendung von Zehnerpotenz-Vielfachen

Mathematikpädagogische Rahmung

Von großen Zahlen geht gerade auch für Fünftklässler eine starke Faszination aus; befinden sie sich doch im späten Kindesalter, das als „Robinson-Alter“ geprägt ist von der Lust am Entdecken - als Grenzgang in der Nähe von Unvorstellbarem - und an Superlativen. Gern bezeichnen sie Zahlen, deren Größe ihre Erfahrung und Vorstellungskraft übersteigt, als „Tausendtrilliarden“. Sofern sie von der Zahl 1000 eine Grundvorstellung haben, die etwa aus dem Aufbau eines „Tausenderwürfels“ aus „Hunderterplatten“ (die aus je zehn Einheitswürfel enthaltenden „Zehnerstangen“ zusammengesetzt sind) erwachsen ist, können sie in ihrer Vorstellung die Größe ein-, zwei- und vielleicht noch dreistelliger Vielfacher von 1000 einschätzen - einschätzen in dem Sinn, dass sie die diese vier- bis sechsstelligen Zahlen eben als Vielfache des Bezugswerts 1000 zu rekonstruieren in der Lage sind. (Die deutsche Sprache unterstützt diese Sichtweise: fünftausend, vierundsiebzigtausend , achthundertdreizehntausend.)
Noch größere Zahlen, die wir in der Umgangssprache „astronomisch“ nennen, lassen sich letztlich auch durch Weitervollzug des dem oben erwähnten Grundmodell zugrundeliegenden Aufbauschemas „verstehen“. Aber das in der Vorstellung fortgesetzte rekonstruktive Bauen von Stangen, Platten und Würfeln immer höherer Ordnung wird bald umständlich und verliert zunehmend an Überschaubarkeit. Jenseits des Anschaulichen, Vorstellbaren muss die Anschauung ersetzt werden durch ein gedankenökonomisch effizienteres Herangehen.
Bei astronomisch großen Zahlen bringt auch die Möglichkeit, sie mit Hilfe des -illionen/-illiarden-Systems zu benennen, - selbst wenn die hier anzuwendenden Kenntnisse der lateinischen Sprache vorhanden sind - keinen Gewinn mehr; denn die gedachte Beziehung der so benannten Zahl zum Bereich vorstellbarer Größen verschwimmt sehr bald zu einer bloßen Unvollstellbar-viel-größer-Qualität. (Um sich beispielsweise des immensen Unterschieds zwischen den Zahlen klar zu werden, die mit den Wörtern „zwei Billiarden“ und „zwei Quadrillionen“ bezeichnet sind, muss die in ihnen kodierte mathematische Information durch Umkodierung zugänglich gemacht werden.)
Die Erkennbarkeit der (multiplikativ-)quantitativen Beziehung zum anschauungsbezogenen Zahlenbereich bleibt bei wachsender Zahlengröße ein gutes Stück weiter erhalten, wenn die Darstellung als Vielfache von Zehnerpotenzen gewählt wird. Dieses mathematische Instrument erwächst aus einer Abstraktion des anschaulichen Bündelungssystems und aus einer Fokussierung auf das Konstitutive des Stellenwertsystems (jeder Ziffer in einem dezimalen Zahlwort ist der Wert des Produkts aus ihrem Zifferwert und dem Wert der ihrer Stelle im Zahlwort zugeordnet).

Elemente des mathematischen Sachverhalts

Voraussetzung dafür, dass Zehnerpotenz-Vielfachen m·10n (m∈N, n∈N) die Zahlinformation entnommen werden kann, ist folgendes Wissen:
* Potenzen ab sind als Produkte zu verstehen, die aus b gleichen Faktoren a bestehen (operativ-semantische Wissensebene).
* Die Zehnerpotenz 10n lässt sich schreiben als Zahlwort, an dessen erster Stelle die Ziffer 1 und an den n nächsten Stellen die Ziffer 0 steht (signitiv-syntaktische Wissensebene).
* Ist der Faktor m ein Vielfaches von 10, also zerlegbar in ein Produkt k·10 (k∈N), so kann wegen a·ab=ab+1 m·10n durch k·10n+1 ersetzt werden.

Voraussetzung dafür, dass die Größenrelation zwischen zwei Zehnerpotenz-Vielfachen m·10n und p·10q (m∈N, n∈N, p∈N, q∈N) quantitativ (nicht nur qualitativ mit der Größer- oder Kleiner-Relation) erfasst werden kann, ist folgendes Wissen:
* Bei gleichen Exponenten ist die operatorische Beziehung zwischen den Zehnerpotenz-Vielfachen reduzierbar auf die operatorische Beziehung zwischen den Faktoren  m und p.
* Für jede Erhöhung des Exponenten um 1 wächst der Potenzwert (und damit auch der Wert des Zehnerpotenz-Vielfachen) auf das Zehnfache.
* Jede Erniedrigung des Exponenten um 1 bedeutet, dass der Potenzwert durch 10 geteilt wird.
* Die multiplikativ-operatorische Beziehung zwischen zwei Zehnerpotenzen kann ermittelt werden, indem man die Differenz d ihrer Exponenten errechnet und den Wert der Potenz 10d bestimmt. 

Aktuelle Ausgangslage

Die Schüler haben gelernt, auch sehr große Zahlen (im Millionen-, Milliarden-, Billionen- und Billiardenbereich) dezimal zu notieren und dezimale Zahldarstellungen (mit mehr als 7 Stellen) (nach Dekodierung) zu lesen. Dabei haben sie den Begriff „Stufenzahlen“ (eigentlich: Namen für Zehnerpotenzen als Einheiten in N: E, Z, H, T, ZT, ...) gefestigt und den Begriff „Stufenzahlengruppe“ (eigentlich: Namen für Zehnerpotenzen 10n mit 3|n als Einheiten in N: Einer(gruppe), Tausender(gruppe), Millionen(gruppe), Milliarden(gruppe), Billionen(gruppe), Billiarden(gruppe), ...) erworben. (Dabei ist ihnen das sprachliche Prinzip der Bildung der Einheitennamen ab Millionen deutlich geworden: -illionen/ -illiarden. Die Namen noch größerer Einheiten wie Trillionen, Trilliarden, Quadrillionen, Quadrilliarden habe ich zwar erwähnt, erwarte aber keinesfalls, dass sie von den Schülern behalten werden. Entscheidend für den Lernprozess war neben der operativen Beziehung zwischen den Einheiten das Wissen darum, dass die Möglichkeit, beliebig große Zahlen dezimal zu benennen und zu notieren, theoretisch unbegrenzt ist.)

Das Allgemeine, Prinzipielle des Stellenwertsystems an sich (das Dezimalsystem ist ja nur ein Modell dieses abstrakten Zahldarstellungsprinzips) wurde über das Handeln in konkreten Bündelungssystemen (als didaktische Modellierungen) mit den Bündelungszahlen 5 (Strichlisten für Ereignismengen; Zusammenfassung von gleichartigen Objekten zu Einheiten auf wachsenden Stufen), 4 (musikanalytische Einteilung passender Techno-Stücke in Beats, Takte und Sound-Abschnitte) und 2 erkannt: Eine Zahldarstellung gemäß dem Stellenwertprinzip ist aufzufassen als verkürzt geschriebene Summe von Vielfachen von Potenzen zur Basis des jeweiligen Stellenwertsystems.
Genügte bislang die Kenntnis der Namen für die Einheiten (die Potenzwerte) des jeweiligen Systems, soll nunmehr der Bildung des Verständnisses für Potenzen Raum  gegeben werden.

Didaktische Absicht

Die Schüler sollen zur Gewinnung und Anwendung folgender Erkenntnisse befähigt werden:
* Angaben astronomisch großer Entfernungen nimmt man besser nicht in Metern vor, sondern - gerundet - in Kilometern.
Aber selbst solche Kilometerangaben sind wegen der Länge der Maßzahl unübersichtlich. Es empfiehlt sich die Darstellung als Vielfaches einer Zehnerpotenz.
* Dabei kann schrittweise vorgegangen werden: angefangen mit der Feststellung der Vielfachen von 101, jeweils mit Rundungsentscheidung.
* Am Ende sollte vorzugsweise ein Vielfaches der Form m·10n mit 3|n stehen, da dies der -illionen/-illiarden-Sprechweise entspricht.

Verlaufsgliederung der Unterrichtsstunde am Dienstag, 2003-06-03

Anknüpfung an die vorige Stunde: Berechnung der Entfernung der Sonne von der Erde; gegeben: Lichtgeschwindigkeit 299.792.456 m/s; ungefähre Zeitspanne, die das Licht von der Sonne zur Erde braucht: 8 min.
Diese Rechnung soll heute durchgeführt werden. Zuvor aber soll das Schema der Schlussrechnung (als Zuordnungstabelle mit Bestimmung des Zuordnungsoperators) an zwei einfachen, ähnlich gelagerten Beispielen deutlich werden.
a) Sitzhalbkreis vor der Tafel: Beispiel einer Zuordnung Zeit-Wegstreckenlänge, anschaulich im Modell (Papierstreifen) dargestellt, dann tabellarisch an der Tafel notiert.
b) Arbeit am Sitzplatz: Zweites Beispiel einer Zuordnung Zeit-Wegstreckenlänge, mithilfe einer Zuordnungstabelle bearbeitet.
c) Erörterung des Lösungsweges. Vorklärung des Lösungsansatzes für die nachfolgende Aufgabe.
d) Einzelarbeit mit der Möglichkeit der Zusammenarbeit an den Tischgruppen: Berechnung der Entfernung der Sonne von der Erde.
e) Schülervortrag: Rechenweg.
f) Vorübung für den nachfolgenden Unterrichtsschritt: Modifikation der Zahl 10.653 durch gerundete Angabe von verschiedenen Zehnerpotenz-Vielfachen (10.653≈1065·101≈107·10²≈11·103).
g) Modifikation der errechneten Entfernungsmaßzahl unter schrittweiser Rundung zu Zehnerpotenz-Vielfachen.
h) Aufgabe (eventuell zu Hause fortzuführen):Berechnung der Entfernung (in Kilometern) des Fixsterns Sirius, dessen Licht ungefähr 9 Jahre unterwegs ist, bevor wir es sehen.