Thema: Geometrie im Gelände (Vermessungsgeometrie)

[→] geos:die Erde, das Land; metrein: messen, vermessen
Geometrie ist Erdvermessung, Landvermessung. Was als Schulgeometrie daherkommt, wie wir sie erfahren haben und meistens auch praktizieren, ist eine szientistische oder technizistische Eintrocknung und Verkümmerung des Geometrischen auf einen von Figurenlehre und zeichnerischen Techniken beherrschten Stoff. So gräbt sich der Mathematikunterricht selbst das Wasser ab, das ihn interessant und weniger repressiv machen könnte. 

[→] Im Mathematikunterricht sollten wir nicht eigentlich Mathematik, sondern das Mathematik-Treiben lehren. Nicht der „Stoff“ darf das didaktisch-psychologische Zentrum des Mathematikunterrichts bilden, sondern die Mathematik treibenden Schüler. 

[→] Es wäre unsinnig, die Beziehung zwischen Theorie und Praxis dadurch kennzeichnen zu wollen, dass die Praxis für die Theorie da ist. Daher ist die Sichtweise zumindest fragwürdig, der zufolge der Zweck des Lebensweltbezugs des Mathematikunterrichts  in der Erleichterung des Mathematiklernens liegen soll. Vielmehr soll Mathematik  (zumindest unterhalb der Universitätsebene) in ihrer dienenden Funktion für eine fundierte, durchdachte Praxis in der Lebenswelt begriffen werden. 


Aufgaben (fachlich)

Auf welche verschiedenen Weisen, mit welchen Vermessungsgeräten und auf welcher mathematischer Grundlage lassen sich die folgenden Aufgaben bewältigen? 

1. Die Höhe eines bestimmten Baumes, von dem nur der untere Stammteil erreicht werden kann, soll vom Grund her auf Dezimeter genau bestimmt werden, ohne ihn zu fällen. Der Gedanke an eine Wurfleine muss verworfen werden (die Baumkrone ist zu dicht; die Spitze ist zu hoch), ebenso der Gedanke an einen HighTech-Entfernungsmesser (ein solcher ist nicht zuhanden). 

a) Der den Baum umgebende Grund ist annähernd eben-horizontal. 

b) Der Baum steht auf einem Berghang. 

c) Der den Baum umgebende Grund ist stark abschüssig; Messungen sind nur von der Talseite her möglich. 

d) Der den Baum umgebende Grund ist leicht abschüssig; Messungen sind nur von der Talseite her möglich. 

e) Der den Baum umgebende Grund ist stark abschüssig; Messungen sind nur von der Bergseite her möglich. 

f) Der den Baum umgebende Grund ist leicht abschüssig; Messungen sind nur von der Bergseite her möglich. 

2. Im Gelände soll die Entfernung zu einem unzugänglichen Objekt (streng genommen: Punkt) mit einer Fehlertoleranz von möglichst unter 1% bestimmt werden: 

a) Es geht um die Breite eines bescheidenen Flusses (wie die Eder) an einer bestimmten Stelle. Auf dem diesseitigen Ufergebiet sind passende reale abbildungsgeometrische Operationen möglich

b) Wie a), aber passende reale abbildungsgeometrische Operationen sind im Gelände nicht möglich

c) Es geht um die Entfernung zu einer Landschaftsmarke auf der anderen Seite eines Sees (Beispiel: Edersee, Waldecker Bucht).

d) Die Länge einer (annähernd) geraden Hanglinie und der Höhenunterschied zwischen ihren Endpunkten sollen ermittelt werden.
 

3. Weitere vermessungsgeometrische Aufgabenstellungen?

Übrigens:

-      Manchmal herrscht Sonnenschein, manchmal nicht.

-      In einigen Fällen sind reale abbildungsgeometrische Operationen im Gelände möglich, in anderen Fällen nicht.

-      Manchmal hat man einen geeigneten Winkelmesser dabei, manchmal nicht.

-      Manche verfügen über Kenntnisse in der Trigonometrie, viele nicht.

-      Zuweilen hat man einen wissenschaftlichen Taschenrechner bei sich, oft nicht.

-      Manchmal hat man Zeichenpapier und Zeichengerät bei sich, oft nicht.

-      Wenn man kein geeignetes Maßband dabei hat - kann man dann überhaupt vermessen?

Weitere mathematisch relevante Varianten vermessungsgeometrischer Arbeitsbedingungen?

Grundlagen der Vermessungsgeometrie: 

o    Visieren als Bestimmen einer Geraden im Raum (Kollinearität von Punkten); 

o    Peilen als Bestimmen der Lagebeziehung eines Punktes zu einer Strecke (Schnittpunkt der freien Schenkel zweier Peilwinkel); 

o    Eigenschaften von Dreiecken (Winkelsummensatz) und bestimmter Dreiecksarten (gleichschenklige, rechtwinklig-gleichschenklige); 

o    Kongruenz von Dreiecken (Kongruenzsätze); 

o    Kongruenzabbildungen (Punktspiegelung, Geradenspiegelung, Drehung, Translation); 

o    Ähnlichkeit von Dreiecken (Ähnlichkeitssätze); 

o    Strahlensätze; 

o    zentrische Streckung; 

o    geometrische Grundkonstruktionen (Dreiecke, Senkrechte errichten, Lot fällen, Parallelen); 

o    trigonometrische Beziehungen im rechtwinkligen Dreieck. 


Aufgaben (didaktisch)

  1. Inwiefern ist vermessungsgeometrische Projektarbeit immer auch fachgrenzenüberschreitend / fächerübergreifend
  2. Was können Schüler mit welcher Lernausgangslage unter welchen Lernvoraussetzungen bei der Arbeit an den Aufgaben (als Lernaufgaben im Rahmen eines Projekts!) lernen? (Definition des Qualifikationszuwachses / Erkenntnisgewinns; Einordnung in ein mathematisches Curriculum; auch: Zuordnung zu Jahrgangsstufen und Schulformen
  3. Wie können Teile des vermessungsgeometrischen Handlungsfeldes sinnvoll so elementarisiert werden, dass sie auch von Grundschulkindern angenommen und bewältigt werden können? 
  4. Welche Motive können die vermessungsgeometrische Arbeit der Schüler leiten, welche Motive sollten geweckt werden? Wie können diese Motive zum Motor dieser Arbeit werden? 
  5. Wie ist die praktische Arbeit vorzubereiten? Welche methodischen Maßnahmen sind zu treffen, damit Arbeit und Lernen erfolgreich sein können? Welche Ziele und welche Formen sollen Unterrichtsabschnitte haben, in denen die praktische Arbeit klärend gestützt und ausgewertet wird?
  6. Welche weiteren didaktischen Fragen sind in diesem Zusammenhang zu klären?
  7. Worauf ist bei der Organisation eines vermessungsgeometrischen Projekts zu achten? 

G. D. Greiß