Ratgeber Prüfungsarbeit

Gerhart Dieter Greiß, Ausbilder am Studienseminar für die Lehrämter in Korbach

Termine 

Wenn Sie sich am 1.2. (oder am 1.8.) zur Prüfung melden, müssen Sie zugleich Ihre Pädagogische Prüfungsarbeit abgeben. Bis zum 1.11. (bzw. 1.5.) müssen Sie, beraten von den zuständigen Ausbildern, das Thema der Prüfungsarbeit festlegen. Diese Themafestlegung ist ein amtlicher Akt im Studienseminar. 

Es ist üblich und vernünftig, dass die die Pädagogische Prüfungsarbeit grundlegende Vorarbeit (theoretisch, unterrichtskonzeptionell, unterrichtlich) schon vor dem verordnungsgemäßen Termin für die offizielle Themafestlegung geleistet wird; aber von einer Verfrühung dieser (bereits wesentlichen!) Vorarbeit ist abzuraten: Erfahrungs- und erwartungsgemäß nimmt die didaktische Kompetenz der meisten Lehramtsreferendare während der Intensivphase der Pädagogischen Ausbildung deutlich zu. Didaktische Kompetenz aber ist es, die es den verordneten Anforderungen zufolge mit einer Pädagogischen Prüfungsarbeit nachzuweisen gilt; eine ergiebige Pädagogische Prüfungsarbeit zu verfassen ist nur in dem Maße möglich, in dem didaktische Kompetenz entwickelt ist und wirksam wird. 

Gutachter

Ihre Prüfungsarbeit wird von zwei für Sie zuständigen Ausbildern beurteilt werden. Die Unterscheidung zwischen „Erstgutachter“ und „Zweitgutachter“ ist nur insofern kein Unsinn, als in erster Linie der für das Fach zuständige Ausbilder als Gutachter in Frage kommt und dann eben nur noch ein Gutachterposten übrig bleibt, der in der Regel von dem für Ihre erziehungs-/gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung zuständigen Ausbilder besetzt wird. Beide Gutachter lesen und beurteilen Ihre Arbeit unabhängig voneinander und ohne Unterschied im Gewicht ihrer Urteile. 

Beratung 

Beide Gutachter sind vorher schon Ihre Berater in der Wahl des Arbeitsthemas. Suchen Sie rechtzeitig das Gespräch mit den betreffenden Ausbildern, noch bevor Sie mit dem Unterricht begonnen haben, den Sie zum Gegenstand Ihrer Prüfungsarbeit machen wollen! 

Themawahl 

Das Thema für die Prüfungsarbeit darf nicht zu umfassend sein; denn es soll ja erziehungswissenschaftlich, fachlich und didaktisch gründlich auf vierzig Seiten bearbeitet werden können. Die 40-Seiten-Regel nötigt ohnehin, Theorie-Praxis-Zusammenhänge in möglichst dichter Sprache unter disziplinierter Konzentration auf Hauptsächliches darzustellen. Klären Sie mit Ihren Beratern, worin der thematisch eingrenzende Aspekt liegen soll, auf den die didaktische Auseinandersetzung in der Prüfungsarbeit fokussiert werden soll. 

Erwarten Sie von Ihren Beratern nicht, dass sie Ihnen nur mit redaktionellen Nachfragen und Verbesserungsvorschlägen zur Themaformulierung beistehen und Ihnen die Mühsal des kritischen Nachdenkens über Ihr Prüfungsarbeitsthema (= Ihr Thema Ihrer Arbeit) ersparen. Erwarten Sie genau das von der Beratung: dass Ihnen der gegenwärtige Stand Ihrer eigenen Absichten deutlicher wird und dass Sie sie kritisch bedenken können. Missverstehen Sie also die Beratungssituation nicht! Fühlen Sie sich nicht durch Fragen „festgenagelt“, die Ihnen zur Klarheit über das Thema verhelfen sollen. 

Die Fragen, die im Zusammenhang mit der Wahl des Prüfungsarbeitsthemas immer unerlässlich sind (weil sie auch der Beurteilung der Prüfungsarbeit zugrunde liegen werden!), sind 
→ a) Fragen nach dem didaktischen (= Sinn-)Zentrum des in der Prüfungsarbeit zu thematisierenden Unterrichts (bzw. nach dem pädagogischen Zentrum der zu thematisierenden Situation, Entwicklung oder Aktion), 
→b) Fragen nach der besonderen didaktischen Fragestellung, unter der der Verfasser die didaktische Betrachtung in der Pädagogischen Prüfungsarbeit fokussieren
1 will (← Eingrenzung und Präzisierung des Prüfungsarbeitsthemas, insbesondere nach Maßgabe der verordneten Umfangsbeschränkung) und 
→c) Fragen nach dem Vorliegen oder nach der geplanten Erhebung aussagekräftiger Dokumentationen dessen, was themagemäß Gegenstand pädagogischer und didaktischer Auswertung sein muss (Aufzeichnungen über pädagogisch/didaktisch relevante Situationen, Entwicklungen, Handlungen; Lehr- und Lernwege, namentlich: Aufzeichnungen zentraler Gesprächsabschnitte). 

Zu a): Mit den Fragen nach dem pädagogischen und/oder didaktischen (= Sinn-)Zentrum des zu Thematisierenden kann vermieden werden, dass in der Prüfungsarbeit 
D die pädagogische und didaktische Betrachtung auf Äußeres (Organisatorisches, Materielles, Betriebsamkeit, Produktorientierung, ...) verkürzt wird, 
D  Zusammenhängendes nicht in einen Zusammenhang gebracht wird; 
D Peripheres so wie Zentrales behandelt wird und 
D geplante und abgelaufene Vorgänge, Handlungen und Ergebnisse bloß beschreibend dargestellt und gefühlsmäßig-assertorisch kommentiert und bewertet werden. 

Zu b): Mit den Fragen nach der für die Prüfungsarbeit maßgeblichen Fokussierung der Betrachtung kann vermieden werden, dass die Prüfungsarbeit 
D den Charakter einer perspektivisch unklaren, aussageschwachen Berichterstattung bekommt
D oder im Umfang weit über die verordnete Beschränkung hinausgeht
D oder aber (eben wegen der verordneten Umfangsbeschränkung) vieles schlagwortreich antippt, ohne im Wesentlichen gründlich und genau zu werden. 

Zu c): Mit den Fragen nach Belegen für themarelevante Ausgangslagen und Entwicklungen, Probleme und Problemlösungen, Tätigkeiten und Ergebnisse kann vermieden werden, 
D dass es dem Leser mangels nachvollziehbarer Prozessdarstellung kaum möglich ist, die Plausibilität von Aussagen über die Unterrichtswirkungen zu beurteilen, und
D dass erziehlich/didaktisch relevante Vorgänge und Entwicklungen bloß vage-verschleiernd benannt werden2. 

Einschränkung 

Machen Sie sich klar, dass Sie auf die Darstellung sehr vieler Unterrichtsabschnitte, Vorgänge, Ergebnisse und Aspekte, die Ihnen auch lieb und wichtig, für die Arbeit am (Prüfungsarbeits-)Thema aber unbedeutend sind, verzichten müssen - auch wenn Ihnen dabei das Herz blutet. (Die Möglichkeit, die gesamte Unterrichtsarbeit in einer weiteren, von der Prüfungsarbeit unabhängigen Arbeit kommentiert zu dokumentieren, ist Ihnen nicht benommen; oftmals wäre die Wahrnehmung dieser Möglichkeit ein Gewinn für die Schule, für Lehrer, für Lehramtsanwärter, für Kommunen, ...) 

Formulierung

Etwas anderes als die Themawahl oder Themafindung ist die prägnante Formulierung des gewählten Themas als Titel der Prüfungsarbeit. Eine solche prägnante Formulierung zu finden, ist nicht ganz leicht und gelingt um so besser, je mehr man mit dem zu Formulierenden, also mit dem Gegenstand, vertraut ist, es ausgelotet hat und daher kurz und bündig angeben kann. Nehmen Sie sich für die gedankliche Assimilation des (Ihres!) Themas genügend Zeit und nehmen Sie begleitende Beratung durch Ihre Ausbilder in Anspruch! 

Erwarten Sie zunächst und in erster Linie Beratung bei der Wahl des Themas Ihrer Pädagogischen Prüfungsarbeit, dann erst in der Formulierung des Themas! Denn es verhält sich so: Was als Thema einer schriftlichen Arbeit formuliert ist, muss auch tatsächlich das Thema der Arbeit sein: Sonst wäre dem Autor günstigstenfalls vorzuhalten, dass die Themaformulierung nicht zum Gegenstand der Arbeit passt; schlimmstenfalls wäre ihm vorzuwerfen, dass seine Arbeit am Thema vorbeigeht. 

Daher lässt sich die Formulierung eines Themas nur erörtern, 
* nachdem das zu Formulierende, hier: das Thema, geklärt worden ist 
* oder indem herausgearbeitet wird, was in der vorhandenen Themaformulierung das Formulierte (also das Thema) ist und ob das Formulierte wirklich das Thema sein soll oder sein kann. 

Sie können bei der Formulierung eines Prüfungsarbeitsthemas nur beraten werden, wenn Sie erläutert haben, was Sie als den Gegenstand Ihrer pädagogischen und didaktischen Auseinandersetzung und Darstellung ansehen. Zu dieser Erläuterung sind Sie nur in dem Maße in der Lage, in dem Ihnen selbst klar ist, womit Sie sich pädagogisch und didaktisch gründlich auseinandersetzen wollen. 

Pädagogische Prüfungsarbeit als pädagogische Arbeit 

Ihnen sollte immer deutlicher werden, was eine Pädagogische Prüfungsarbeit zu einer pädagogischen Arbeit macht. Dann werden Sie die Inhalte Ihrer Beratung souverän verarbeiten können und Ihre Arbeit schreiben - und damit Anerkennung  finden. 

Anmerkungen

1: Um dem Missverständnis vorzubeugen, umschreibe ich hier den Ausdruck „fokussieren“ wie folgt: Wenn ich die Brennweite des Zoom-Objektivs meines Fotoapparats erhöhe und dann noch für eine Scharfeinstellung sorge, hole ich einen enger begrenzten Wirklichkeitsausschnitt ins Bild, dringe dafür aber auch tiefer in die Wirklichkeit ein. 

2: Die Schüler werden in etwas eingeführt, 
sie machen erste Erfahrungen mit/in etwas, 
beschäftigen sich mit einem Aspekt oder setzen sich mit ihm auseinander; 
es wird noch einmal darauf hingewiesen, dass...; 
es wird problematisiert oder thematisiert; 
spontane Diskussionen werden ausgelöst, 
Spekulationen in den Raum geworfen, Aufgaben durchgesprochen; 
Wissen wird angebracht, 
eine Problematik wird angesprochen, 
der Stoff wird durchgenommen; 
der Lehrer greift den Stoff der letzten Stunde auf oder geht den Stoff mit dem Schüler noch einmal durch und greift eine Frage immer wieder auf...

 

Beispiele für sinnvolle und für problematische Formulierungen des Prüfungsarbeitsthemas

A
Sichten Sie die Formulierungen von Prüfungsarbeitsthemen. Wählen Sie einige Formulierungen aus und klären Sie, welche Erwartungen an den Inhalt der Arbeit durch die Themaformulierungen geweckt werden. 

B
Ordnen Sie die Themaformulierungen unter dem Gesichtspunkt der Deutlichkeit, mit der im Thema die zentrale Aufgabenstellung (Fragestellung) der Prüfungsarbeit formuliert ist. (d+ / d-) 

C
Bewerten Sie anschließend eine Auswahl von Themen unter dem Gesichtspunkt der Eingeschränktheit (e+ / e-) oder Fokussiertheit (f+ / f-). (
è40-Seiten-Regel)

D
Modifizieren Sie die Formulierungen ausgewählter Themen, die Sie mit d- oder e- bzw. f- beurteilt haben, so, dass sie den Kriterien der Deutlichkeit und der Eingeschränktheit genügen, und erörtern Sie das Modifizierte und die Modifikationen im Plenum. 

 

1. „Kaspar rettet die entführte Prinzessin.“ Planung, Durchführung und Reflexion einer Unterrichtseinheit im Deutschunterricht des 2. Schuljahres. 

2. Schüler gestalten eine Bewegungslandschaft, angeregt durch das Kinderbuch „Fliegender Stern“ von Ursula Wölfel. Eine Unterrichtseinheit im Fach Sport in einer 3. Klasse.

3. Auf der Grundlage selbst erkundeter Wolleigenschaften erfinden Zweitklässler die Spinntechnik für sich neu. (Ein Teil des Sachunterrichtsvorhabens „Vom Schaf zum Schal“.)

4. Verklanglichung des Gedichts „Das Waldhaus“ von Josef Guggenmos in einer 2. Klasse.

5. Die Dampfmaschine. Ein Zugang zur Physik über die Technik - dargestellt am Beispiel einer Unterrichtssequenz in einer 8. Realschulklasse.

6. Gestaltung einer Indianerausstellung als Abschluss der Unterrichtseinheit „Wir sind ein Teil der Erde - Lebensweise und Naturverständnis von Indianern“ im Sachunterricht des 3. Schuljahres.

7. „Unsere Sinne“ - eine handlungsorientierte Unterrichtseinheit im Sachunterricht des 3. Schuljahres. 

8. Aufeinander zugehen lernen in einer handlungsorientierten Sachunterrichtseinheit zum Thema „Sinne“ in einem 3. Schuljahr.

9. Aufeinander zugehen lernen. - Sozialpsychologisch bedeutsame Prozesse in einer 3. Klasse im Laufe einer Sachunterrichtseinheit zum Thema „Sinne“. 

10. Eine Rauminstallation im Kunstunterricht des 4. Schuljahres - Freisetzung von ästhetisch-praktischen Ausdrucksmöglichkeiten durch die Auseinandersetzung mit Mirós „Karneval des Harlekins“.

11. „Gott für das Brot dankbar sein“ - eine Unterrichtseinheit im katholischen Religionsunterricht im 2. Schuljahr.

12. „Gott für das Brot dankbar sein.“ - Wie können Schüler einer 2. Klasse durch Sinnerfahrungen angeregt und unterstützt werden, eine religiöse Haltung aufzubauen? 

13. Schriftgestaltung und Textanordnung eines Fotobuches im Kunstunterricht einer 5. Realschulklasse.

14. Umgang mit Geld - eine Aufgabe eines lebensnahen Mathematikunterrichts im zweiten Schuljahr. 

15. Ein Versuch, im Sachunterricht eines dritten Schuljahres einen „Projektmonat“ nach Prinzipien der Freien Arbeit durchzuführen. 

16. Schüler einer dritten Klasse erforschen ihre Lebensgeschichten - Versuch einer Förderung des Zeitbewusstseins und der eigenen Identität im Sachunterricht.

17. Werkstofferkundung als Grundlage für werkstoffgerechtes Gestalten mit Ton (Sachunterricht, 2. Klasse). 

18. Welche Hilfen brauchen Viertklässler für ein einsichtiges Erarbeiten des schriftlichen Verfahrens der Multiplikation?

19. „Wir untersuchen Schnecken.“ Ein Unterrichtsvorhaben zum forschend-entdeckenden Lernen in einem 3. Schuljahr. 

20. Translationssymmetrie. - Handlungsorientierte Ausschärfung des Begriffs im Rahmen der Unterrichtseinheit „Muster verschönern und strukturieren unsere Umwelt“ in einer 2. Klasse. 

21. Aufbau der additiven Operationen im ersten Schuljahr.

22.  Eigenschaften und Konstruktion des Kreises. Eine Unterrichtseinheit des Mathematikunterrichts in einer 4. Klasse.

23. Bestimmung des Flächeninhalts einer beliebigen drei-, vier- oder mehreckigen Figur durch inhaltstreue Überführung der Figur in ein Rechteck oder eine Zusammensetzung von Rechtecken. Eine Unterrichtseinheit für den Geometrieunterricht in einer 8. Hauptschulklasse. 

24. Wie können Zweitklässler Rechenvorteile beim Addieren zweistelliger Zahlen erkennen und nutzen lernen? 

25. Vermessungen im Gelände. Handlungsorientierter und wirklichkeitsgemäßer Geometrieunterricht in einer 9. Hauptschulklasse.

26. Prozesse exponentiellen Wachstums als Thema für den Mathematikunterricht in einer 9. Hauptschulklasse?

27. Eine persönliche Briefpartnerschaft anbahnen. (3. Klasse)

28.  Peter Härtling: „Oma - Die Geschichte von Kalle, der seine Eltern verliert und von seiner Großmutter aufgenommen wird.“ - Inwiefern können sich die Schüler eines 4. Schuljahres im Rahmen der Klassenlektüre in die Beziehung zwischen „Oma“ und „Kalle“ hineinversetzen? 

29. Inwiefern geben Bilder von Marc Chagall Kindern eines dritten Schuljahres Anregungen, ein eigenes Fensterbild ausdrucksstark zu gestalten? 

30. Sich ein Musikstück durch bildnerisch-gestaltende Transposition erschließen. Ein Musik-Unterrichtsvorhaben in einer 4. Klasse. 

31. „Der Strom“ - eine Unterrichtseinheit des Sachunterrichts als Hinführung zum methodenorientierten Arbeiten in einer 2. Klasse der Schule für Lernbehinderte. 

32. Förderung der Lesefreude in einem 3. Schuljahr durch handlungsorientierten Umgang mit dem Kinderbuch „Die Sockensuchmaschine“ von KNISTER. 

33. Wie Kinder anderswo leben: Kindheit im Senegal und bei uns. - Drittklässler setzen am Schluss der Unterrichtseinheit ihr erworbenes Wissen in Spielhandlungen  um.